Strategische Handlungsfelder für CIOs in komplexen Organisationen

Die Herausforderung:
Warum Kooperation trotz klarer Ziele scheitert

In vielen Unternehmen ist die enge Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereichen erklärtes Ziel – und gleichzeitig ein strukturelles Problem. Der Wille zur Kooperation ist vorhanden, doch die Realität zeigt: Die Umsetzung scheitert häufig an tief verankerten, systemischen Barrieren.

Ein wesentlicher Konfliktpunkt liegt in gewachsenen Macht- und Interessensstrukturen. Bestehende Legacy-Systeme sichern nicht nur technische Stabilität, sondern auch die Budgetverantwortung und den Einfluss einzelner Bereiche. Dies kann dazu führen, dass notwendige technologische Transformationen gezielt verzögert oder blockiert werden. Ein anschauliches Beispiel liefert der Fall eines Logistikmanagers, der die Migration auf eine moderne Cloud-Plattform verhindert, um den Bestand seiner großen internen Supporteinheit nicht zu gefährden.

Ein zweiter Hemmschuh sind regulatorische Rahmenbedingungen. Vorgaben aus Datenschutz, Finanzaufsicht oder Branchenregulierung zwingen die IT in eine defensive Rolle, die aus Sicht der Fachbereiche eher als Verhinderer denn als Enabler wahrgenommen wird. Die Folge ist ein tiefgreifendes Missverständnis über die Rollen und Möglichkeiten der IT im Transformationsprozess.

Darüber hinaus fehlt es oft an Schnittstellenkompetenz. Nur eine kleine Minderheit der Unternehmen verfügt über Rollenprofile, die technologische Expertise und Business-Verständnis wirksam vereinen. In der Praxis erleben wir immer wieder, dass nur selten diese Bedingung auf der Ebene der Produktverantwortung verankert sind.

Widerstände verstehen:
Mehr als nur kognitive Dissonanz

Die Barrieren gegen Veränderung sind vielschichtig – und sie treten auf unterschiedlichen Ebenen auf. Individuell zeigen sich Blockaden vor allem dort, wo persönliche Karrierepfade gefährdet sind. Warum sollte sich ein erfahrener IT-Administrator zum KI-Experten weiterentwickeln, wenn seine Leistungsbewertung nach wie vor an Systemverfügbarkeit bemessen wird?

Auf Teamebene entstehen Spannungen durch den Verlust von Autonomie. Initiativen wie DevSecOps stoßen oft auf den Widerstand etablierter Einheiten, deren klassische Rollen in einer neuen, integrierten Struktur an Bedeutung verlieren würden. Auch auf Organisationsebene verhindern veraltete Steuerungsmetriken den Wandel: Solange etwa IT-Kosten pro Server und nicht pro Geschäftsergebnis verrechnet werden, fehlt der Anreiz für eine konsequente Ergebnisorientierung.

Die Transformationsarchitektur: Fünf priorisierte Hebel für die Umsetzung

Ein nachhaltiger Wandel gelingt nicht durch Appelle, sondern durch gezielte strukturelle Maßnahmen. Die folgenden fünf Hebel bilden die Grundlage für eine belastbare Architektur der Veränderung:

1. Politisches Kapital gezielt aufbauen

CIOs müssen die bestehenden Machtverhältnisse im Unternehmen verstehen und gezielt nutzen, um Veränderung zu ermöglichen. Es reicht nicht aus, auf Zustimmung zu hoffen – vielmehr gilt es, gezielt Allianzen zu bilden, Schlüsselakteure zu identifizieren und ihre Interessen strategisch einzubinden. Politisches Kapital entsteht dort, wo sich IT-Strategien mit den Zielsystemen anderer Ressorts verbinden lassen – etwa durch das Aufzeigen von Wettbewerbsvorteilen, Risikoreduzierung oder Effizienzgewinnen, die direkt an die Verantwortung dieser Stakeholder anschließen. 

2. Hybrides Governance-Modell einführen

Die Form der Steuerung muss zur Komplexität der Organisation passen. Bei Banken haben wir ein zentrales Architekturboard mit Vetorecht bei Business Cases über fünf Millionen Euro beobachtet. Im Handel wiederum wird tw. auf dezentrale Digital Squads gesetzt, die eigenständig arbeiten, aber an zentrale Standards gebunden sind. Diese Modelle zeigen: Effektive Governance ist kontextabhängig und erfordert sowohl technische als auch politische Gestaltungskraft.

3. Kompetenzbrücken schaffen

Technologie und Business müssen über echte Schnittstellenrollen verbunden werden. Dies gelingt über strukturierte Programme: Etwa durch Rotationen, bei denen IT-Architekten mehrere Monate im Vertrieb (mit-)arbeiten und ihr Bonus an gemeinsame KPIs geknüpft ist. Zugleich ist es entscheidend, Prozesse end-to-end zu betrachten – über Bereichsgrenzen hinweg. Nur wenn Fachbereiche und IT gemeinsam verstehen, wie ein gesamter Wertstrom funktioniert, entsteht ein geteiltes Verständnis über Abhängigkeiten, Schnittstellen und Hebel zur Optimierung. Diese gemeinsame Prozesssicht fördert nicht nur die Kommunikation, sondern schafft auch eine belastbare Basis für gemeinsame Entscheidungen. Ergänzend kann ein Proof-of-Value-Fonds etabliert werden, in dem Fachbereiche einen Prozentsatz des Budgets für experimentelle, IT-nahe Vorhaben reserviert.

4. Steuerung an Outcomes orientieren

Nur was gemessen wird, wird verändert. Deshalb braucht es neue Metriken, die den Wertbeitrag der IT sichtbar machen. Kennzahlen wie „Time-to-Value“ oder „Feature-Adoption-Rate“ ersetzen klassische Projektkennzahlen wie Budgettreue oder Termintreue. So rückt die Wirkung ins Zentrum – nicht der Aufwand.

5. Externe Erwartungen als Veränderungshebel nutzen

Neben Investoren fordern auch Regulatoren, Kunden, Partner und die Gesellschaft von Unternehmen zunehmend Innovation, Transparenz und Modernisierung. Nutzen Sie diese externen Erwartungen gezielt, um intern Prioritäten zu setzen, Veränderungsbereitschaft zu stärken und notwendige IT- und Transformationsprojekte voranzutreiben.

Handlungsempfehlungen:
Vom Konzept zur Umsetzung

In der Umsetzung unterscheiden sich Organisationen je nach Reifegrad. Für Unternehmen, die sich in einer Stauphase der Transformation befinden, gelten andere Empfehlungen als für jene, die bereits skalieren:

Für CIOs in der kritischen Phase (Transformationsstau)

Zunächst gilt es, Legitimation zu schaffen. Dies gelingt etwa durch ein fundiertes Stakeholder-Mapping mittels Power/Interest-Matrix sowie durch die Identifikation von Quick Wins. Ein Beispiel: Die Einführung von Process Mining kann die versteckten Kosten veralteter Prozesse sichtbar machen und so Veränderungsdruck erzeugen.

Zugleich sollten Fachbereiche stärker in die Pflicht genommen werden. Co-Funding-Modelle, bei denen Fachbereiche sich an IT-Infrastrukturprojekten finanziell beteiligen, erhöhen die Verbindlichkeit. Eine weitere Möglichkeit sind duale Roadmaps, in denen jede Fachbereichsstrategie eine IT-Validierung durchlaufen muss.

Für CIOs in der Skalierungsphase

Organisationen mit fortgeschrittener Transformationsarchitektur sollten auf verbindliche Rahmenbedingungen setzen. Dazu gehören etwa verbindliche Nutzungsquoten für Platform-as-a-Service-Angebote oder die Einrichtung von Business-Outcome Councils. Diese Gremien erhalten Budgetverantwortung für definierte Teile des IT-Etats und entscheiden mit Blick auf Business Impact.

Die neue Rolle der IT-Führung

Der CIO muss sich als „diplomatischer Macher“ neu positionieren. Er oder sie braucht die Fähigkeit, politische Netzwerke über Ressortgrenzen hinweg aufzubauen, die Schmerzpunkte der Fachbereiche in technische Lösungen zu übersetzen und externe Ökosysteme – etwa aus Forschung, Start-ups oder Regulierung – als Innovationsquellen zu nutzen. Es geht nicht mehr um technische Exzellenz allein, sondern um die Fähigkeit, unter komplexen Bedingungen Wandel zu gestalten.

Praxis-Check:
Drei strategische Kontrollfragen

  1. Kennen Sie die informellen Technologie-Budgets Ihrer Fachbereiche? 
  2. Haben Sie mindestens zwei Use Cases, die zeigen, wie IT-Kosten direkt zur Umsatzsteigerung beitragen? 
  3. Ist Ihr Architekturboard so besetzt, dass Business-Vertreter dominieren?

 

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Ansprechpartner Lars Vollmer

Ihr Ansprechpartner:

Lars Vollmer

Senior Manager
Mobil: +49 151 70430847
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